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ALBANIEN Zwei Esel in Peshkopi

Der Osten Albaniens ist dünn besiedelt, ziemlich hügelig und vergleichsweise arm. Über zwei heftig fordernde Rad-Etappen kam ich in Peshkopi an, einer Stadt, die sich unter dem Hoxha-Regime zum Mittelzentrum entwickelt hatte. Heute herrschen dort Landflucht und die Mafia, wie ich im längeren Gespräch mit meinem Gastgeber erfuhr.

Zum lokalen Fußball wusste er kaum etwas zu sagen, außer dass er früher wichtig war und heute bedeutungslos ist. Eine klassische Kombination im heutigen Albanien. Und so machte ich mich auf die Suche nach der Fußballseele in der 19.000 Einwohnerstadt. Und traf einen Esel.


Zwei Esel in Peshkopi

Am Nachmittag breche ich zum Stadion auf. Eine Kontaktperson habe ich nicht gefunden. Es scheint, als existiere der Fußball nicht mehr. Dabei hat der nach dem nahegelegenen Bergriesen benannte KS Korabi Peshkopi vor drei Jahren noch in der ersten Liga gespielt! Auch Andi kennt niemanden, der zum Fußball geht oder mit dem Verein verbunden ist. „Fußball spielt keine Rolle hier. Nur die Alten sprechen manchmal noch davon, dass der Verein mal groß war und alle hingingen.“ Der Weg zum Stadion führt ins weniger postkartentaugliche Peshkopi. Am Busbahnhof warten Menschen mit riesigen Gepäckbergen vor heruntergewirtschafteten Bussen, aus deren Auspuffen schwarze Wolken stottern. Sie wollen in die Bergregionen, oder gleich nach Tirana, wo die Hoffnung wartet.

 

Hinter dem Busbahnhof beginnt das Peshkopi der Hoffnungslosigkeit. Blechwände umgeben vor Jahren eingefallene Gebäude, die Straße ist übersät mit Schlaglöchern. Auf einer Kreuzung steht ein Esel und schaut mich gleichgültig an. Als ich näherkomme trabt er in die Seitenstraße, in der ich das Fußballstadion vermute. Vor einer grauen Blechwand bleibt er stehen. In der Wand klafft ein Loch. Das Tier schaut mich an, dann zwängt es sich hindurch. Ich folge ihm und lande auf dem Hügel der Hintertortraversen. Gemeinsam mit meinem Geleittier blicke ich aufs Spielfeld. Zwei Esel im Stadion von Peshkopi.

 

Ist das noch Stillstand oder ist es schon Verfall? Die Hintertorkurve ist übersät von Müll. Vor kurzem hat es dort gebrannt. Die Erde ist schwarz gefärbt. Auf der Hauptgeraden flattert eine blaue Plastikfolie im Wind, die irgendwann mal die winzige Sitzplatztribüne geschützt hat. Auf der Gegengerade dokumentiert eine Handvoll neuer Betonplatten, dass die Brachlandschaft wider Erwarten noch in Benutzung ist. Nie zuvor habe ich ein depremierenderes Fußballstadion gesehen. 

 

Drei junge Burschen kommen. Sie grüßen scheu, beäugen mich. Sie sind 14, 15 Jahre alt, stecken voller Leben. Einer spricht ein paar Brocken Englisch. „Hier wird nicht mehr gespielt“, sagt er. „Die Mannschaft von Peshkopi spielt in Tirana, der Verband erlaubt es hier nicht“. „Schaust Du die Spiele?“, frage ich. „Ja, manchmal, aber nur im Fernsehen. Ich habe Peshkopi noch nie selbst gesehen.“ In einer Bar neben dem Stadion weiß man auch nicht mehr, ebenso wie in einem nahegelegenen Café. Niemand weiß, wann die Mannschaft spielt, kaum jemand, wo sie überhaupt spielt.

 

Als Korabi Peshkopi 2016 nach 54 Jahren im unterklassigen Fußball in die erste Liga aufstieg waren selbst die kummergewohnten Funktionäre des albanischen Fußballverbandes erschüttert. Hier kann man nicht Erstligafußball spielen, befanden sie. Und so verlor Peshkopi ausgerechnet im Moment des größten Erfolges sein Fußballteam. Am Abend schaue ich mir auf der Webseite des Vereins ein paar Videos an, die zeigen, dass das Team auf dem Gelände des FC International in Tirana spielt. Jener Verein, der sich vor allem um den Verkauf von Talenten kümmert. Luftlinie sind es 60 Kilometer bis Tirana. Gefahren werden müssen jedoch 190, davon über 60 auf der hügeligen und engen SH31, über die ich nach Peshkopi geradelt bin. Da ist jedes „Heimspiel“ ein unüberwindbares Hindernis, bleiben die Spieler unter der Woche gleich in der Hauptstadt. Peshkopi ist eine Stadt ohne Fußball, der KS Korabi ein Fußballverein ohne Ort.

 

Dieser Text ist ein Auszug aus dem Buch "Onkel Enver, der Fußball und eine Radreise durch Albanien"

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