Wenn schon Nerd, dann richtig!

Es soll Menschen geben, die mich als "Nerd" bezeichnen. Weil ich weder den FC Bayern noch den BVB liebe und schon lange keine Champions League mehr gucke. Neulich habe ich sogar eine ganze WM verpasst und dafür eine andere sehr genossen. Handball-7 statt Geldsäcke-11en. Man passt nicht ins Schema, wenn einen der Reiz des großen Glitzerfußballs nicht (mehr) erreicht.

 

Das reicht aber nicht, um als "Nerd" klassifiziert zu werden. Da reicht noch nicht mal die Wahl meiner Lieblingsmannschaften, die mit Göttingen 05 (R.I.P.), Bristol Rovers und En Avant Guingamp nicht gerade massentauglich ausfiel. Nein, um das "Nerd"-Label zu bekommen, braucht es etwas wirklich abseitiges, skurriles, vermeintlich Uninteressantes. Englands Fußballwappen zum Beispiel.

 

Ich erinnere mich noch gut an meinen ersten London-Besuch anno 1985. West Ham mit einer Burg und zwei gekreuzten Hämmern im Wappen, Leyton Orient mit zwei Drachen (tatsächlich sind es Wyvern, die nur so aussehen wie Drachen). Arsenal mit der Kanone. Tottenham mit einem komischen Vogel, Millwall mit dem wilden Löwen in einem wilden Dock-Umfeld. Wie unterschiedlich sah die englische Heraldik im Vergleich zur biederen deutschen Wappenkunde aus! In Soho gab es einen Shop, der Fußballsouvenirs führte und ein ganzes Regal aus kleinen Schubladen hatte, in denen die Nadeln sämtlicher Klubs der Football League offeriert wurden. Ich war jung, hatte kaum Geld, wenig Ahnung von der Football League und war voller Verzweiflung mitten im Wappenhimmel. Denn pro Badge war 1 Pfund fällig. Ein kleines Vermögen. Ich hab's mir wirklich vom Munde abgespart, damit ich am Ende mit einem ganzen Sack voll "Badges" nach Hause fahren konnte.

 

Wappen, Englands Fußballwappen ließen mich nicht los. Als ich ein paar Jahre später den Bristol Rovers begegnete und mich zunächst unbemerkt, dann aber rasant in Klub, Fans und Tragik verliebte, war es auch das Wappen, das mich anzog. Ein schlichtes, nüchternes Schild, das so ungewöhnlich aussah, dass ich es voller Stolz auf T-Shirt und Trikots hier in Deutschland spazieren trug. Wappen sind Identifikationssymbole, und als echter Nerd läuft man natürlich mit dem Emblem seines Teams auch im eigenen Land auf, obwohl es hierzulande vermutlich nur eine Handvoll Menschen gibt, die auf Anhieb das Emblem der Bristol Rovers erkennen.

 

In den 1990er Jahren war ich jedes Jahr für ein paar Wochen oder gar Monate auf der Insel. Irgendwann packte ich meine Sachen und zog ganz nach Bristol. Tauchte ein in die Fußball- und auch Wappenkultur. Bereiste das Land, besuchte Stadien und Fanshops. Inzwischen war ich von Badges zu Kaffeebechern (Mugs) gewechselt. Heute stehen rare Stücke wie der Wimbledon FC oder ein Aufstiegsbecher meiner Rovers im Regal. Überhaupt, meine Küche. DIe Wände voller Kaffeebecher mit Fußballwappen. Nerdig? Ich? Ach was!

 

Von einem Buch mit allen Wappen der Vereine der Football League seit 1888 habe ich immer geträumt. Sobald ich nach England kam ging ich auf die Suche. Doch kein Wappenbuch in Sicht. Niemals. Also spielte ich mit dem Gedanken, selbst eins zu machen. Ein Deutscher, der ein Buch über englische Fußballwappen macht. Ja, okay, das mag ein bisschen nerdig sein. Ein bisschen.

 

Es war ein Abenteuer, eine wilde Reise, die viele Jahre dauerte, die mich in Sackgassen führte, die mich in Verzweiflung trieb. Die mich jubeln ließ, die mich ratlos machte. Wenig in der Geschichte der Fußballwappen in England ist festgehalten worden. Ein paar Vereine haben ihre Wappenhistorien inzwischen erforscht (Arsenal als leuchtendes Beispiel), hier und dort sind nerdige Wappenfreaks am Werk und forschen über die Emblemhistorien ihrer Klubs. Bradford City und Luton Town sind diesbezüglich Vorbilder. Ansonsten? Ratlosigkeit! Und häufig Pseudowissen, das kaum einer Überprüfung standhält. Die Emblemgeschichte meiner Rovers zu erforschen gab mir einen ersten Eindruck von der gewaltigen Aufgabe, die ohne Anfang und ohne Ende zu sein schien.

 

Das Internet wurde zur Schatzkammer. Und ich zum Google-Weltmeister. In den Tiefen des www fand ich Embleme, die ich nie zuvor erblickt hatte. Sheffield Wednesday, Crewe Alexandra, Ipswich Town, Newcastle United - sie alle hatten irgendwann zwischen den 1960ern und 1980ern Wappen, die sie nur ganz kurze Zeit trugen und die rasch wieder in Vergessenheit gerieten. Warum ich das weiß? Weil im Internet alte Stadionprogramme gehandelt werden und ich darunter so manchen Schatz fand. Und langsam anfing, zeitliche Strukturen der verschiedenen Emblemhistorien zu erstellen. Denn was ist näher dran an der Wahrheit als ein Spielprogramm mit Vereinsemblem, das mit einer konkreten Paarung und damit einem Datum verbunden ist?

 

Irgendwann hatte ich über 1.000 Wappen und dachte, mehr geht nicht. Es wurde 1.200, 1.300 schließlich rund 1.400. Eine Zahl, die mir selbst unvorstellbar vorkommt. Aber immer wieder tauchten neue Embleme auf. Manchester United hatte plötzlich einen versteckten adidas-Schuh in der Namensbanderole. Preston North End trieb mich zum Wahnsinn mit ständigen Wappenvarianten. Aus Luton kamen zwei uralte Bilder mit Trikotwappen. Meine beiden Wappenzeichner HCL Barz und Andreas Ziener, gepriesen seien sie für ihren wunderbaren Einsatz für dieses Buch, waren entsetzt und begeistert zugleich. Was sie aus den miserablen Vorlagen zauberten, war ein Wunder und ich strahlte jedes Mal aufs Neue, wenn sie neue Wappenzeichnung schickten.

 

Und jetzt ist es da, das nerdigste Buch meines Lebens, das Buch, das ich vor allem für mich geschrieben habe. Ich teile es gerne mit euch, teilt ihr dafür gerne allen anderen Wappenerds auf dieser Welt mit, dass es jetzt ein Buch zu allen Wappen aller Vereine gibt, die seit 1888 in der englischen Football League gespielt haben.

 

Wenn man das so formuliert, klingt das übrigens tatsächlich ein bisschen nerdig... 

 

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