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Balkan Beats Etappe 15

Es ist erstaunlich, dass es Fehler gibt, die man immer wieder wiederholt. Null Lerneffekt - oder wenn, dann zu spät. Dazu gehört, Orte zu meiden, die sich als Touristenmagneten etabliert haben. Denn sie sind meistens genau das: Touristenmagneten mit dem entsprechenden Neppumfeld.

Kotor ist schön, zweifelsohne auch besonders. Die Lage in einer sagenhaften Bucht, die ich komplett mit dem Rad umrundet habe. Die an die Hügel geschmiegte Altstadt in der historischen Festung, großartig erhalten und ein toller Geschichtenerzähler. Das Flair, das von fernen Zeiten erzählt. Das alles zieht die Neugierigen aus aller Welt in Massen an, und das alles macht etwas mit einem Ort wie Kotor. Das einzige, was in der Altstadt noch authentisch ist, sind die Streunerkatzen, die den ganzen Trubel gelassen bis desinteressiert an sich vorbeiziehen lassen. Ansonsten bilden alte Steinhäuser enge Gassen aus ausgelatschtem Kopfsteinpfalster, dominieren Restaurants, bei denen das Personal sofort angesprintet kommt, wenn jemand auch nur in die ausgelegte Speisekarte linst, Hotels mit vielen Sternen sowie Nippesläden, deren Betreiber mich als das wahrnehmen, was ich ja tatsächlich auch bin: zahlungskräftiger Tourist. Das heißt in der Praxis, dass ich in Kotor für zwei Kugeln Eis 3 Euro bezahle, und damit mehr als in Göttingen  - wobei dort die Waffel immerhin im Preis inbegriffen ist, während sie hier 50 Cents extra kostet.

Abseits der historischen Altstadt kommt Kotor übrigens eher nüchtern daher. Über die Uferstraße donnern pausenlos Autos in beide Richtungen, es gibt erstaunlich viele zeitramponierte Häuser aus der sozialistischen Zeit und es ist schlicht laut.

Vielleicht besänftigt die Stadt ja morgen ja ein bisschen mein angegriffenes Gemüt, von all den historischen Altstädten, die ich seit meinem Tourstart sah (Novigrad, Rovinj, Pula, Zadar, Šibenik, Split und nun Kotor) kommt Kotor ajedenfalls bislang als die langweiligste rüber, weil sie wie eine leblose Museumsstadt wirkt. Sieger in meinem Ranking ist mit großem Abstand Šibenik, eine in jeglicher Hinsicht positive Überraschung. 


Montenegro hat insgesamt noch ein bisschen Luft nach oben auf meiner Begeisterungsskala. Der Grenzübergang von Kroatien kam dem Betreten einer neuen Welt gleich. Überall grün statt graubraun, sehr aufgeräumt und sauber, wohlhabend. Ein bisschen Komfortzone auf dem Balkan. Dazu passt, dass man hier mit Euro bezahlt, obwohl Montenegro lediglich Beitrittskandidaten ist. 1999 hat man die DM eingeführt, seit 2002 ist der Euro Zahlungsmittel. Der Autoverkehr ist so rasant wie in keinem der Länder zuvor. Standardabstand zum Radler sind gefühlt 20 Zentimeter, ganz mutige Autokutscher kommen noch näher. Das Auto hat alle Rechte, der Rest der Verkehrsteilnehmer hat das zu respektieren. Das war in Kroatien und Bosnien nicht anders, aber in Montenegro hat es eine neue Qualität. Bislang hatte ich auf meiner Tour zwei Situationen, in denen mir ein Autofahrer beim Überholen auf meiner Spur entgegenkam. Ne ziemlich unschöne Erfahrung, wie ihr euch vorstellen könnt. Heute hatte ich nach dem Grenzübertritt gleich vier solche Fälle; und der eine Fahrer zeigte mir sogar noch den Stinkefinger. Insgesamt geht es ziemlich hektisch zu auf den Straßen, und ich bin wirklich erstaunt über den spürbaren Unterschied zum nun auch nicht wirklich entspannten Kroatien. 

Aber nun genug gemeckert, morgen mache ich Seele und Herz wieder auf und geb Montenegro ne neue Chance. Versprochen!



Das Buch Zur Albanien-Tour

2019 bin ich mit dem Fahrrad durch Albanien gefahren und habe mich auf die Suche nach der jüngeren Geschichte des lange völlig abgeschotteten Landes gemacht. Ich traf unsagbar fröhliche und gastfreundliche Menschen, erfuhr von Schicksalen und Hinterlassenschaften eines Steinzeitstalinismus, der ganze Generationen beeinflusste, durchkurbelte ein wunderschönes Land, in dem es verdammt viel hoch und runter geht. Mein roter Faden war der Fußball und seine Geschichte, über die Albanien auch erstaunlich eng mit Deutschland verbunden ist.

Meine Reisebericht über 352 Seiten und mit mehr als 400 Fotos gibt es beim Zeitspiel-Verlag, der es für 25 Euro inkl. Porto und Verpackung gerne direkt ins Haus schickt.

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