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Balkan Beats Etappen 8 und 9

Liebe Leute, ich bin verliebt. Split heißt die Angebetete, und sie ist nicht nur unschlagbar attraktiv sondern vor allem total cool. Sie lässt sich nicht leicht erobern, schon gar nicht mit dem Fahrrad, denn ihr Umfeld ist eher weniger ansehnlich und zieht sich über viel zu viele Kilometer. Aber hat man dann ihr Zentrum erreicht, öffnet sie ihr Herz und man wird mit Sonne und Leichtigkeit geflutet. Selten bin ich so rasant von einer Stadt eingenommen worden - allenfalls Kapstadt und Montevideo haben ähnliche Wirkungen gehabt.


Meine Unterkunft liegt mitten in der Altstadt, und sie zu finden war ein echtes Kunststück. Es ist ein verwirrendes Labyrinth aus uralten Gassen mit Häusern, in den über die Jahrhunderte wohl Menschen mit allerlei unterschiedlichen kulturellen Hintergründen lebten. Angefangen mit den Römern vor ziemlich langer Zeit. Aktuell sind es vor allem Abgesandte vom Stamme der Touristen, denn die meisten Wohnungen in der Altstadt sind in  Kurzzeitquartiere umfunktioniert. Romantik und Mystik sind da quasi vorprogrammiert.


Fußball ist hier überall präsent. Oder besser Hajduk. Ich hatte schon einiges von der Bedeutung des Klubs in Dalmatien gehört, und tatsächlich tauchen das Wappen und andere Insignien überall sowohl im historischen Zentrum als auch außerhalb auf. Split ist eine Stadt, die ihren Fußballklub nicht als Fußballmannschaft sieht, sondern als Bestandteil ihrer Lebenskultur. Insofern bin ich noch trauriger, dass das urspünglich für gestern terminierte Duell gegen Dinamo Zagreb wegen des Europapokals verlegt wurde - es wäre ein Highlight gewesen.



Kroatien wächst mir zunehmend ans Herz. Anfangs (in Istrien) hatte ich ein bisschen Probleme, das Land und die Leute einzuordnen, doch je südlicher ich komme, umso leichter gelingt es mir und umso wohler fühle ich mich. Mag sein, dass es an Dalmatien liegt, den Dalmatinern eilt ja der Ruf voraus, besonders fröhlich und entspannt zu sein. Für mich ist es aber eher die Verschiebung in den Lebensalltag. Vor allem in Istrien und auf Krk war nahezu alles auf Tourismus ausgerichtet (logisch mit der tollen Küste vor der Haustür). Seit Zadar fühle ich mich nun zunehmend im kroatischen Alltag, und das verschiebt die Perspektiven. Auch in Zadar, Šibenik und Split spielt der Tourismus natürlich eine wichtige Rolle, umso mehr in den kleinen Küstenorten dazwischen. Und doch ist viel mehr Alltag zu spüren, mischen sich unter die Reisenden aus Deutschland und der ganzen Welt viele einheimische Urlauber und vor allem in den Städten junge Rucksacktouristen der Generation Instagram, die ihr ganz eigenes Flair mitbringen. Und überall spricht man Kroatisch, komme ich mit Englisch weiter als mit Deutsch. Eine andere Sprache war schon immer elementar beim Reisen für mich. 


Die Küste ist grandios. Zwischen Zadar und Šibenik fuhr ich die Magistrale, die Überlandstraße, die sich entlang der Küste bis hinter Dubrovnik zieht. Obwohl es einen Autoput (Autobahn) gibt, ist sie immer noch ziemlich dicht befahren, denn die Autobahn kostet Gebühren, und so dicke haben es viele hier nicht. Einerseits ist die Magistrale pure Radler-Horrorshow, denn Rücksicht genommen wird wenig. Mir kamen mehrfach Autos beim Überholen auf meiner Fahrbahn entgegen, und einmal war es so eng, dass ich dem Raser kaum meinen Stinkefinger zeigen konnte, so schnell ging das Ganze.

Andererseits ist die Magistrale gelebte jugoslawische Geschichte. Und es gibt inzwischen auch allerlei Ortsumgehungen, was mir immer mal wieder das Vergnügen bescherte, kurz mal auf der zur Nebenpiste degradierten alten Magistrale zu kurbeln und entspannt die Landschaft und ihre Geschichte zu genießen. Für gewöhnlich sind es kleine Örtchen, mit Hafen, Steinstränden, Campingplätzen und Unterkünften sowie Restaurants und Bars. Sie versprühen eine zeitlose Gelassenheit, die sich umgehend überträgt und mich immer wieder zu Pausen "zwingt". Auf der anderen Meeresseite ragt dann stets eine dieser vielen Insel hier unten aus dem Wasser und macht das Bild komplett. Wieso war ich eigentlich nie zuvor in Kroatien?


Die Infrastruktur in den kleinen Örtchen oft eine Zeitreise, und das jetzt bitte positiv verstehen. Es geht um das Sein, nicht um das Haben, um es mal mit Erich Fromm zu sagen - falls den heute überhaupt noch jemand kennt. Campingplätze im Stile der 80er, auf das Wesentliche reduziert, einfache Kneipen,  Cafés und Restaurants, das Meer als zentrales Highlight. Allerdings ist Nebensaison, ich vermute, Mitte August wird die Welt hier ein bisschen anders aussehen. 


Auch Šibenik ist eine bemerkenswert schöne Stadt, wo ich zudem kurz mal beim Erstligakick von HNK Šibenik und Lokomotiva Zagreb vorbeischaute. Ziemlich unspektakulär, gefühlt kaum 500 Zuschauer, Gegengerade gesperrt, kein organisierter Supprt. Kroatien und seine unglückliche Nationalliga, die zwischen einer Handvoll Großen und zu vielen Kleinen schwankt.


Und dann war da noch die erste "Bergetappe" zwischen Šibenik und Split. Nichts aufregendes, so 700 Höhenmeter auf etwa 20 Kilometer, aber doch so viel, dass ich mein Gepäck gespürt habe. Und heute in Split erstmal alles Überschüssige per Post auf den Weg in die Heimat geschickt habe. Man merkt eben trotz Erfahrung immer erst unterwegs, was man wirklich braucht. Geradezu wahnwitzig war die Abfahrt vom Pass, die mich über wilde und steile Serpentinen nach Seget Donji brachte und grandiose Ausblicke auf Split schenkte. Der Rest des Tages war dann nüchterne Navigationsarbeit über fast 30 Kilometern dichtbesiedeltes Gebiet mit proppenvollen Straßen, Ampeln (! hatte ich schon eine gehabt seit dem Start?) und einer ziemlich ausgelutschten Straße entlang des Flughafen, die mein Gepäck ganz schön zum Wackeln brachte.

Und dann traf ich sie. Split, die Schöne, die coole, die Warmherzige, die mir für zwei Tage eine Heimat bot. 


Mein Reisebericht Albanien

2019 bin ich mit dem Fahrrad durch Albanien gefahren und habe mich auf die Suche nach der jüngeren Geschichte des lange völlig abgeschotteten Landes gemacht. Ich traf unsagbar fröhliche und gastfreundliche Menschen, erfuhr von Schicksalen und Hinterlassenschaften eines Steinzeitstalinismus, der ganze Generationen beeinflusste, durchkurbelte ein wunderschönes Land, in dem es verdammt viel hoch und runter geht. Mein roter Faden war der Fußball und seine Geschichte, über die Albanien auch erstaunlich eng mit Deutschland verbunden ist.

Meine Reisebericht über 352 Seiten und mit mehr als 400 Fotos gibt es beim Zeitspiel-Verlag, der es für 25 Euro inkl. Porto und Verpackung gerne direkt ins Haus schickt.

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