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Balkan Beats Etappen 18 bis 21

Über Bande direkt ins Aus. So war das nicht geplant. Am Mittwochabend kletterte ich auf die Fähre, die mich von Bar nach Bari brachte. Dort lungerte ich am Donnerstag einen halben Tag in angenehmer Sonne herum, um die Nachtfähre nach Patras zu besteigen. Bari war die Bande, die mich ins sonnengeflutete Griechenland befördern sollte. Doch der Vollspann ging daneben. Das wilde Balkanwetter, das seit Dienstag weit- und großräumig tobt, verfolgt mich. Und schlug nach der Landung in Patras mit voller Wucht zu. Tiefschwarzer Himmel grinste mich an, als die Ladeluke der Fähre aufging. Es regnete Cats and Mouse, wie sie in England gerne sagen, und Hoffnung war am düsteren Horizont nirgendwo zu erkennen. Empfängt man so seine weitgereisten Gäste, Griechenland?

Als der Regen kurz mal ausdünnte flitzte ich schnell zum Zoll, wo meinen Pass jedoch niemand sehen wollte - dafür das für Griechenland inzwischen obligatorische Covid-Zertifikat. Inzwischen goss es erneut in Strömen, so dass ich mir zwischen fröhlichen Zöllner*innen und der Covid-Teststation die Wartezeit vertrieb. Und Pläne schmiedete. Eigentlich hatte ich vorgehabt, knapp 80 Kilometer bis Arkoudi an der Westküste zu radeln. Das schien angesichts der Wettersituation eine eher schlechte Idee zu sein, und so griff Plan B, von dem ich gar nicht wusste, dass er existiert: Unterkunftssuche in Patras.

Eine Stadt, vor der jeder Reiseführer wegen der hektischen Straßenverkehrsführung warnt, zugleich aber auch voll des Lobes ob eines von Studenten geprägten Alltags ist. Klang untern Strich nach ner interessanten Sache, und als ich dann auch noch ein Zimmer mit Fenster auf den ruhigen Hinterhof statt der lauten Straße bekam war der Drops gelutscht.

Das fette Mittelmeertief, das sich seit Tagen fröhlich um seine eigene Achse dreht, verdirbt mir seitdem so ein bisschen die freiheitliche Planung und wird mich in dieser Woche wohl begleiten. Was im Klartext bedeutet, dass ich am bislang südlichsten Punkt meiner Reise zum ersten Mal lange Hose und Jacke trage und statt auf dem Camping zu übernachten feste Unterkünfte suche. So kann es gehen.

Patras war in der Tat eine schöne Überraschung. Eine junge, fröhliche Stadt, sehr geerdet, eher unspektakulär und vielleicht gerade deshalb so angenehm. Zwischen mehreren Starkregenschauern tauchte ich ein in die Atmosphäre und machte meine ersten Erfahrungen mit den griechischen Schriftzeichen. Als Fußballwappenfetischist sind mir die meisten zwar vertraut, es ist aber dennoch eine Herausforderung, Straßenschilder und vor allem Speisekarte entziffern zu können. Immerhin können sehr viele Griechen Englisch und sind außerordentlich hilfreich, insofern helfen die Sprachprobleme sogar bei der Kontaktaufnahme. 


Samstag standen dann 80 Kilometer in meinen ursprünglichen Zielort Arkoudi an. Ein winziges Nest am Meer. Im Sommer überfüllt, in der Nachsaison menschenleer. Die ersten Begegnungeb mit den griechischen Autofahrern fielen gut aus. Vielleicht war mein Urteil verfälscht vom den wilden Montenegrinern, doch es geht deutlich entspannter zu. Außerdem sind die Straßen breiter, spüre ich so etwas wie Respekt vor dem Radler und nicht dieses dauerhafte "Attacke" wie in Montenegro. Und es gibt sogar Hinweisschilder für Autofahrer, den Seitenabstand zu wahren!

Nichtsdestotrotz beherrscht das Auto auch hier alles  und einmal mehr rückt der Blick über die Straßenverhältnisse daheim in ein anderes Licht: was hier normal ist würde in Göttingen wohl zur Straßenschlacht führen, bei dem der Autofahrerdas Ziel wäre!

Die Etappe war vor allem geprägt von Pausen. Ständig tauchen Starkregenwolken auf, denen ich zu entgehen versuchte. Und so waren die 80 Kilometer vor allem eine Bäckerei-Hopping-Etappe. Immer, wenn es losging suchte ich mir ein Café und probierte die örtlichen Süßspeisen. So macht sogar Regen Spaß! Und auch meinen Barber-Besuch konnte ich hinter mich bringen. Es ging gerade wieder los mit der Himmelsdusche, als ich mich unter ein Dach rettete. Genau vor einem Friseur. Kurzer Blick hinein, komm herein!, und 15 Minuten später war ich um fünf Euro ärmer (zum Vergleich: in Patras zahlte ich für einen Kaffee 4 Euro) und hatte das nächste Regengebiet überstanden.

Arkoudi ist wunderbar, aber in der Nachsaison bei Dauerregen doch eher deprimierend. Immerhin war es gestern morgen etwas trocken, kam sogar die Sonne mal heraus, so dass ich mir das ganze kurz mal in Urlaubskulisse anschauen konnte. Hier ist tiefste Nachsaison, hat fast alles geschlossen, laufen die Einheimischen schon in Winterkleidung herum.

Während ich dies schreibe (es ist inzwischen Montagmorgen) warte ich auf das hoffentlich letzte Regenband für heute. Sobald es durch ist geht es weiter nach Katakolo und von dort morgen ins antike Olympia. Und vielleicht dreht dieses bescheuerte Tief dann ja auch mal ab statt immer nur im Kreis. Sonst suche ich mir in Olympia ne alte Diskusscheibe und schieße es aus seiner Bahn!

Stay tuned, your hardy cylist



Das Buch Zur Albanien-Tour

2019 bin ich mit dem Fahrrad durch Albanien gefahren und habe mich auf die Suche nach der jüngeren Geschichte des lange völlig abgeschotteten Landes gemacht. Ich traf unsagbar fröhliche und gastfreundliche Menschen, erfuhr von Schicksalen und Hinterlassenschaften eines Steinzeitstalinismus, der ganze Generationen beeinflusste, durchkurbelte ein wunderschönes Land, in dem es verdammt viel hoch und runter geht. Mein roter Faden war der Fußball und seine Geschichte, über die Albanien auch erstaunlich eng mit Deutschland verbunden ist.

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