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Balkan Beats Etappe 7

Badespaß am Teutonenstrand könnte ich die heutige Etappe umschreiben. Es ging schon am Morgen los. Zwischen 9 und 10 ging ein gewaltiges Gewitter über Novalija nieder, das mir wahrlich Angst und Bange machte. Blitz und Donner waren maximal Hundertstelsekunden voneinander entfernt und tobten sich mit wahren Wassermassen über dem Ort aus.

Wie von der Wetter-App angekündigt war pünktlich um Zehn Schluss und ich hatte etwa anderthalb Stunden, in denen der Himmel gut aussah, ehe das  nächste Wolkenpaket anmarschierte. Die nutzte ich, um kräftig in die Pedale zu treten, wobei die Straßen teilweise kleinen Flusslandschaften glichen und ich mehr als einmal von Autos "abgeduscht" wurde.


Nach knapp fünf Kilometer musste eine weichenstellende Entscheidung fallen: entweder mit dem wie immer wilden Autoverkehr nach Pag, oder über eine Piste entlang des Meeres, von der niemand wusste, wie sie aussah. No risk, no fun - ich bog ab und wurde mit einer grandiosen Naturlandschaft belohnt. Die Piste war auch gut zu befahren, nur die Umleitungsschilder irritierten mich. Bis ich an eine Straßensperre kam. Nun, was Autofahrer interessieren muss, interessiert den Radler häufig nicht, also fuhr ich einfach weiter. Und stand nach ein paar Hundert Metern vor einem riesigen Loch, durch das es nun wirklich kein Durchkommen gab. Ob nun Erdrutsch oder Erbeben, hier war ganze Arbeit geleistet worden.

Also zurück. Die Karte wies einen Trampelpfad weiter oben aus, auf den ich meinen vollgepackten Drahtesel unter beachtlichem Schweißausstoss mühsam hinaufwuchtete. Oben angekommen, war ich ziemlich fertig, es war knapp elf und in der Ferne sah ich die nächsten Gewitterwolken anmarschieren.


Also Gummi geben, und da die Piste bald eine Asphaltdecke erhielt und fröhlich in etwas mutierte, was wir 2011 bei der Tour d'Afrique "rolling hills" genannt haben, kam ich erfreulich flott voran. Kurz vor Pag erwischten mich zwar erste Tropfen, der Blick auf das Wolkenbild ließ aber zunächst noch ein beruhigtes Weiterfahren zu. Allerdings war angesichts 52 verbliebener Kilometer bis Zadar klar: Es war ein Wettlauf mit der Zeit, den ich verlieren würde. Offen war lediglich, wo und wann.

33 Kilometer vor Zadar war es soweit. Peitschend prügelte der Regen auf mich ein, kamen Blitze und Donner immer näher, wurde ich von den Autos abgeduscht. In Dinjiška flüchtete ich mich in ein Bushäuschen, wo schon ein Leidensgenosse saß. Igor war mit geliehenem Mountainbike von Zadar aus losgefahren, mindestens genauso nass wie ich und wartete auf seinen Fahrradvermieter, der ihn abholen sollte.

Während wir über die Frage spekulierten, ob der möglicherweise auch mich würde aufladen können (die nächsten drei Stunden war sturzflutartiger Regen angesagt), kam ein Bus, dessen Fahrer uns verriet, das in zehn Minuten ein Bus nach Zadar kommen würde, der auch Fahrräder mitnähme. Während Igor auf seinen Pick-up wartete, nutzte ich die Gunst der Stunde und löste für 85 Kunas einen Platz für mein Bike und mich im Trockenen.


Ich bin wahrlich kein Weichei, was Regen und Radfahren betrifft, aber das hier war schlicht zuviel. Kaum zwanzig Meter Sicht, die enge Straße, die Autos, die mich vollspritzten, trotz Regenklamotten bereits ziemlich durchnässt und dann noch knapp zwei Stunden in welliger Landschaft vor mir. Kurzum: Ich fands überraschend einfach, die Etappe abzubrechen und in den Bus zu klettern.

Und habe es nicht bereut, denn die komplette Fahrt ging der Sturzflutregen weiter und setzte die Straßen unter Wasser. Mit dem Rad wäre das zweifellos kein Vergnügen gewesen.


Die Pointe kam in Zadar. Kaum erreichte ich meine vorgebuchte Pension, wurde der Himmel blau, kam die Sonne raus. Die nächste Belohnung gab es dann in Person von Marija, Zimmervermieterin und eine Seele von Mensch. "Mama Marija macht", sage sie nur und forderte meine nasse Kleidung, um sie sofort in die Waschmaschine zu stopfen. Dann gab es Kaffee und Kekse, ein kleines Update über Mann Branko, der grad an Herzbschwerden leidet, die Töchter, die in Zadar bzw. dem sauerländischen Milspe leben und ganz viel fröhliche dalmatinische Seele: "Musst sein positiv, das ist Geheimnis für gute Lebben". Das alles in einem wilden Gemisch aus Deutsch, Englisch und Kroatisch, das ich vermutlich ebenso brillant mit meinen bruchstückartigen kroatischen Sprachkenntnissen konterte. Nema problema, dobra! Selten zuvor habe ich mich so willkommen und eingeladen gefühlt, und insgesamt wächst mir Kroatien zunehmend ans Herz.

Zadar wiederum ist so international wie eine Stadt nur international sein kann. Am Busbahnhof wurden Horden vor allem junger Menschen aus den Bussen gekippt, denn Zadar scheint grad ziemlich angesagt bei der Rucksackenreisefraktion zu sein. Entsprechend ist die Sprache hier auch eher Englisch, herrscht ein mondänes Flair. Marijas Unterkunft liegt mitten in der Altstadt, die sich fein herausgeputzt hat und eine einzige Flaniermeile mit zwei Kirchen und allerlei altertümlichen Gebäuden ist. Dazu moderne Innovationen wie eine Leuchtsonne sowie eine Ozeanorgel, die über Wellen Töne von erzeugt. Alles in allem eine ziemlich coole Stadt.


Mit Branko und Marija landete ich dann später unweigerlich beim Thema Fußball. Branko ist glühender Hajduk-Fan, während der örtliche NK Zadar den beiden ziemlich am Allerwertesten vorbeigeht. Dafür gehen sie zum Basketball. "Zadar ist Stadt des Basketballs", glühte Marija förmlich. "Da ist tolle Stimmung, alle gehen mit. Zadar hat viele berühmte Basketballer hervorgebracht". Sie zählte dazu allerlei Namen auf, die mir alle nix sagten, weil Basketball so gar nicht in meinem Fokus steht, doch ihre Leidenschaft machte alles wett. Dennoch wählte ich den Kaffeebecher des NK Zadar, als ich wenig später einen kleinen Shop mit Souvenirs der beiden örtlichen Vereine in der Altstadt entdeckte. Meine innere Gepäckpolizei meckerte zwar, weil ich nun mehr statt weniger Gepäck in den Taschen habe, doch da ich eh vorhabe, von Mostar aus ein Päckchen mit Überschüssigem in die Heimat zu schicken, kommts darauf nun auch nicht mehr an. Zumal ich morgen in Šibenik zum "Schlager" gegen Lokomotiva Zagreb gehen werde und da mit weiterem Tassennachschub rechnen muss - wie selbstverständlich auch in Split.


Und so endete der Tag der Wasserschlacht am Teutonengrill in allerbester Stimmung. Morgen soll dann auch die Sonne wieder scheinen.


MEIN BUCH ZUR ALBANIENTOUR 2019

MEIN REISEBERICHT ZUR ALBANIEN-TOUR 2019


2019 bin ich mit dem Fahrrad durch Albanien gefahren und habe mich auf die Suche nach der jüngeren Geschichte des lange völlig abgeschotteten Landes gemacht. Ich traf unsagbar fröhliche und gastfreundliche Menschen, erfuhr von Schicksalen und Hinterlassenschaften eines Steinzeitstalinismus, der ganze Generationen beeinflusste, durchkurbelte ein wunderschönes Land, in dem es verdammt viel hoch und runter geht. Mein roter Faden war der Fußball und seine Geschichte, über die Albanien auch erstaunlich eng mit Deutschland verbunden ist.

Meine Reisebericht über 352 Seiten und mit mehr als 400 Fotos gibt es beim Zeitspiel-Verlag, der es für 25 Euro inkl. Porto und Verpackung gerne direkt ins Haus schickt.

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