
Wenn es über einem nach Weltuntergang aussieht ist es schwer, an den Himmel auf Erden zu glauben. Der Himmel über Erfurt war am Montag wirklich spektakulär: Düster,
endlos regnerisch und ohne Hinweis auf irgendeine Hoffnung. Am Abend wurde es dann zwar etwas besser, doch der Dienstagmorgen begrüßte mich gleich mit dem nächsten Regenguß. Nicht schon wieder so
ein Tag, bitte.
Wurde es nicht! Auf dem Weg Richtung Süden, nach einem Fotostopp am Stadion des ESV Lok und einer raschen Stippvisite am Steigerwaldstadion klarte der Himmel
zunehmend auf. Kräftiger Westwind pustete die Wolken weg und die Lust aufs Radeln kehrte zurück.
Raus aus Erfurt war kein Spaß. Auf der zweispurigen Arnstädter Chaussee war verkehrstechnisch ordentlich was los, und bergauf ging es auch noch. Kein Spaß, sich mit
10 km/h und vollbeladenem Bike einen Anstieg hochzuwuchen, auf dem sich Laster und PKW wilde Rennen liefern. Ich war entsprechend froh, irgendwann kurz vor Egstedt von der Hauptstraße abbiegen zu
können und den Lärm hinter mir zu lassen.
Was mich empfing, war thüringerische Landidylle vom Feinsten. Bauernhöfe mit "Reichsschutzgebiet"-Schildern, Deutschlandfahnen im knatternden Westwind und
verschlafene Örtchen wie Elxleben, Alkersleben oder Marlishausen, in denen die Zeit stehengeblieben schien. Umgeben war alles von endlosen Kornfeldern, deren gelbbrauner Farbton bis zum Horizont
reichte.
Bis zum Tagesziel Ilmenau standen aber noch ordentlich Höhenmeter an. Kurz hinter Hausen ging es los. Eine letzte Rechtskurve, dann über die A71 und schlagartig wurde es waldig und vor allem wellig. Da waren durchaus ein paar ordentliche Rampen dabei! Vor allem Unterpörlitz, wo man unverändert Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht huldigt, meinte es ernst. Dort stemmte sich die Hauptstraße mitten im Dorf mit 12 Prozent in die Höhe - das zieht ordentlich am Gepäck.
Ilmenau überraschte. Ein niedliches Zentrum, deutlich größer als erwartet und insgesamt pittoresk, wenn man die vielen funktional-unästhetischen Bausünden aus der
Nachwendezeit außer acht lässt. Ich landete in einem Café, das von ein paar Einheimischen betrieben wird. Ein Community-Konzept, das ich aus England kenne und schätze: Urgemütlich, lecker Kaffee
und Kuchen, faire Preise, viele Gelegenheiten zum gemütlichen Schwatz und die schöne Ambition der Betreiberinnen und Betreiber, "wieder Leben nach Ilmenau zu bringen, um etwas gegen die vielen
Döner-Buden zu stellen".
Fußball steht auf den Etappen dieser Woche übrigens nicht an erster Stelle. Es ist eher ein gemütlicher Ausflug durch das Hinterland, angetrieben von Neugierde. Wobei
namentlich Ilmenau ja durchaus Fußballgeschichte vorzuweisen hat. In Band 2 der
Zeitspiel-Legenden habe ich die Story des früheren DDR-Ligisten BSG Chemie IW aufgeschrieben. Ausgerechnet im Wendejahr hofften die Grün-Weißen mal wieder auf den Durchbruch, doch mit der
Grenzöffnung brach im Stadion Hammergrund (wo ich vor dem Start der zweiten Etappe nachher mal vorbeischauen werde) der Notstand aus. Keine Spieler mehr, kein Geld mehr, der Trägerbetrieb vor der
Abwicklung - lmenau stand am Abgrund.
Heute spielt der Klub als SV Germania in der Kreisoberliga achtklassig, beherrschte kurz mal der FSV Martinroda den höherklassigen Fußball in der Region, der sich
allerdings 2023 ebenfalls aus dem höherklassigen Amateurfußball zurückzog. Nix mehr los mit großem Fußball im Ilm-Kreis.